Gastbeitrag von Malte Landwehr – www.lorm.de ***
Heute bin ich auf ein Wahlplakat gestoßen, welches mich aus allen Wolken fallen ließ. Da benutzt ein Politiker doch tatsächlich die Vergangenheit seines Kontrahenten als PC-Spieler um eine Wahl zu gewinnen. Es geht um nicht geringeres als den Posten des County Supervisor von Maricopa County (Arizona, USA).
Maricopa County? Supervisor?
Ein County in den USA ist ein Verwaltungsbezirk und vergleichbar mit unseren Landkreisen. Das Board of Supervisors liegt in seiner Hierarchie unter der Bundesstaaten-Regierung und kann auch in den Städten keine direkte Macht ausüben, hat jedoch -in einem gewissen Rahmen- Einfluss auf die Gesetzgebung und führt legislative und administrative Tätigkeiten durch.
Der Wahlkampf
In besagtem Maricopa County ist Fulton Brock (56) seit mehr als 12 Jahren Supervisor und beschreibt seinen Herausforderer Ed Hermes (24) auf einem Wahlkampfflyer unter anderem mit dieser Aussage:
[Ed Hermes] ist ein guter Spieler des populären Video Spiels Halo. „Ich bin süchtig nach Halo und spiele es fast jede Nacht.“
Mit diesen Worten wurde Hermes vor mehr als zwei Jahren in einer Studentenzeitschrift zitiert.
Ein weiterer Vorwurf bezieht sich auf einen Auftritt von Hermes in der MTV Reality-Show Room Raiders.
Hierbei handelt es sich zwar wahrlich nicht um herausragende Qualifikationen für eine politische Karriere und ich möchte sie an dieser Stelle nicht bewerten aber von diesem Flyer können wir zwei Dinge lernen.
1. Alle Aussagen fallen auf einen zurück.
Natürlich hat Hermes ein für seine Generation relativ gläsernes Leben geführt aber bei den heute heranwachsenden trifft das auf fast jeden zu. Es ist nicht mehr nötig sich bei MTV Room Raiders anzumelden oder in einer Zeitschrift zitiert zu werden. Fotos einer dreckigen Studentenbude bei MySpace oder die Mitgliedschaft in StudiVZ Gruppen wie Selbshilfegruppe der Killerspiele-Spieler (knapp 1.000 Mitglieder) können den gleichen Effekt haben.
2. Heute ist nicht morgen
Dieser Punkt wird sehr gerne vergessen wenn es um die Gefahr von Aussagen im Internet geht. Was heute akzeptiert und vielleicht sogar cool ist, kann morgen total out sein. Aussagen wie Ich bin süchtig nach Halo, die in einem bestimmten Personenkreis (Studenten) nur ein Schulterzucken hervorrufen, können in einem anderen Kreis (Politiker) auf totale Ablehnung stoßen.
Wenn ein Student seinen Kommilitonen morgen erzählt, dass er die ganze Nacht World of WarCraft gespielt hat lachen sie ihn maximal aus. Aber der gleiche Student wird diese Nacht eine Woche später beim Vorstellungsgespräch mit McKinsey sicher verschweigen.
Im realen Leben ist der hier vorgenommene Schnitt – die Entscheidung, wer was wissen darf – für jeden deutlich sichtbar. Doch im Internet verschwimmen solche Grenzen, da Aussagen über Jahre hinweg auffindbar bleiben und das nicht nur von den Personen, in deren Umfeld man die Aussage getätigt hat, sondern von allen.
Ein Denkansatz
In gewisser Weise gibt es kaum einen Ausweg aus diesem Dilemma. Wer sich die Zeit nehmen möchte sollte folgendes tun:
Nimm dir ein Blatt Papier und schreib alle möglichen Informationen auf, die du über dich in den letzten Wochen oder Monaten im Internet preisgegeben hast. Dann erstelle eine Liste mit Personen die jetzt oder in Zukunft für dich wichtig sind oder sein könnten (z.B. Eltern, Großeltern, Kinder, Enkel, Freunde, Lehrer, Professoren, Ausbilder, Vorgesetzte, Kollegen, usw.) und gehe die Liste der Informationen durch und streiche jede, die du nicht allen aufgelisteten Personen ins Gesicht gesagt hättest.
Vermutlich wirst du so einiges streichen und am Ende nur noch sehr wenige Informationen auf deiner Liste haben. Dies sind die Informationen, mit denen du auch weiterhin sorglos umgehen kannst.
Die Lösung
Eine Möglichkeit ist, sich hinter falschen Identitäten und der Anonymität des Internets zu verstecken. Das ist zwar in einigen Fällen durchaus anzuraten aber einen Punkt sollte man immer berücksichtigen: Die eigene Identität, und mit ihr die Reputation, ist managebar. Es gibt eine Vielzahl von Websites und Tools die einem bei diesem Unterfangen helfen.
Über den Autor
Malte Landwehr ist aktives yasni Mitglied und bloggt auf Landwehr Online Reputation Mangement.
Hallo, Herr Landwehr,
@ Kontrahenten als PC-Spieler
Und wenn’s der Kontrahent geschickt anstellt, dreht er den Spiess um und gewinnt genau mit diesem Punkt die Wahl. Das wäre dann richtiges ‚Management‘ im Sinne von . . .
‚Ich stehe in der Sch***** und komme damit klar.‘
Wenn es, wie’s heute fast üblich scheint, mehr darum geht, den Spieler zu spielen/attackieren anstatt den Ball . . . dann muss der Spieler eben genau diese Speerspitze ganz sanft annehmen und zu einen Pflugschar seines Wahlkampfes umfunktionieren.
Tag und Nacht gespielt / süchtig . . . heisst auch . . .
Legt sich in’s Zeug. Wenn er was macht, dann richtig.
Gibt noch viel mehr positive Interpretationen. Genauso, wie’s beim Marihuana- und Zigarrengenuss von Clinton war.
Von Ihrer angebotenen Lösung der ‚False Identities‘ halte ich ab dem 21. Lebensjahr ich gar nichts.
Was meinen Sie ?
Viele Grüsse,
Andreas Wiedow
Offensiv damit zu werben ein erfolgreicher Video-Spieler gewesen zu sein halte ich für keine gute Idee, dafür ist das Unverständnis für diese Betätigung in großen Teilen der Bevölkerung noch zu verbreitet. Ich denke auch nicht, dass das Spielen Ed Hermes einziges Manko ist (siehe obiges Plakat).
Was spricht denn ab 21 gegen falsche Identitäten im Netz? Auch mit 21 (ebenso wie mit 31, 41 und 51) kann ein Mensch Hobbies oder Interesse haben von denen nicht jeder seiner Freunde und Kollegen etwas wissen muss. Wo man sich früher hinter verschlossenen Türen unterhalten hat, geschieht dies heute im Netz. Da spricht denke ich nichts dagegen sich ein wenig Anonymität zu sichern.
@ Was spricht denn ab 21 gegen falsche Identitäten im Netz?
Mit 21 ist jede/r dreimal sieben gewesen und sollte wissen, was er/sie tut. Davor gibt’s noch Jugendsünden, die einen nich‘ unbedingt verfolgen sollten.
@ Hobbies oder Interesse haben von denen nicht jeder seiner Freunde und Kollegen etwas wissen muss
Und das is‘ dann auch meine Antwort/Begründung darauf . . . nicht Alles, was wahr ist (meine Hobbies, insgeheimen Wünsche, usw), will ich auch sagen. Vor Allem nicht im Internet.
Manche Dinge bespreche ich heutzutage noch nicht mal am Telefon, sondern nur unter vier Augen.
@ Da spricht denke ich nichts dagegen sich ein wenig Anonymität zu sichern.
Und genau die habe ich dann.
@ Offensiv damit zu werben ein erfolgreicher Video-Spieler gewesen zu sein
Das meinte ich nicht. Geht auch anders.
Dankeschön für Ihre Stellungnahme. Schönes Wochenende, Andreas Wiedow
Genau Herr Wiedow!
Ich habe inzwischen gelernt, aus haltlosen Bewertungen auf ebay und amazon Kapital zu schlagen. Es ist die beste Werbung für meine Kundenorientierung, die überhaupt denkbar ist!
Davon abgesehen bin ich es nicht nur satt, mich dem Diktat engstirniger Angstbeißer innerhalb einer Partei, Kirche oder Firmenhiercharie unterzuordnen; ich habe diese menschenverachtenden Situationen auch verlassen!
Hans Kolpak
Biß der Woche
So wichtig der Beitrag ist, wird dabei aber leider ausser acht gelassen, dass nicht nur selbst eingestellte Dinge ins Netz Einzug finden, auch Dinge, die Dritte oder gar Anonyme über Personen zu verbreiten suchen.
Die Kehrseite des Internet beinhaltet auch viele Möglichkeiten, völlig anonym und gezielt Falschinformationen zu verbreiten, die grosse Schäden bei den betroffenen Personen anrichten können. Dazu muss eine Information nicht einmal wahr sein.
Eine Problematik, der auch Behörden noch ziemlich machtlos gegenüber stehen.